© Roxanna Panufnik

„Ich liebe die intensive Emotionalität und Direktheit des Chorgesangs“

Interview mit Roxanna Panufnik

Fest der Chorkulturen

Roxanna Panufnik, eine der renommiertesten britischen Komponistinnen unserer Zeit, bringt die Welt auf ihre ganze eigene Art und Weise zusammen. Durch ihre Musik versucht sie, Menschen und Religionen einander näher zu bringen, mit ihrem einzigartigen Gespür für die musikalischen Sprachen unterschiedlichster Kulturen.

Im Interview mit INTERKULTUR spricht Roxanna Panufnik über ihre Liebe zur Welt- und Chormusik sowie ihre aktuellen Projekte.

Sie bringen die Menschen auf Ihre ganz eigene Weise, durch Ihre Kompositionen, zusammen. Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig Religionen und Kulturen einander näherzubringen? Und welche internationale Begegnung ist Ihnen persönlich vielleicht besonders im Gedächtnis geblieben?

"Als 9/11 (der Angriff auf die New Yorker Zwillingstürme im Jahr 2001) passierte, war ich mit meinem ersten Kind schwanger, und ich hatte Angst davor, in was für eine Welt ich sie hineinbringen würde. Ich fühlte mich machtlos, etwas dagegen zu tun, bis mich jemand daran erinnerte, dass Christen, Juden und Muslime alle an ein und denselben Gott glauben. Das brachte mich auf die Mission, Wege zu finden, um das zu betonen, was wir alle gemeinsam haben, und auch die Schönheit in der Musik und im Gesang all dieser Glaubensrichtungen und Kulturen zu teilen."

Ihr Kompositionsstil ist geprägt durch Ihre Leidenschaft für Weltmusik. Woher kommt diese Faszination?

"Als ich 19 Jahre alt war, schenkte mir mein Vater ein schönes altes Buch mit polnischen Volksmelodien. Ich war fasziniert davon, wie man in diesen kurzen Melodien bereits Andeutungen östlicher Modalität hören konnte, und das führte zu einer Faszination dafür, was die Musik jedes Landes ausmacht und sie für sich einzigartig klingen lässt."

Für INTERKULTUR und den Rundfunkchor Berlin haben Sie ein Stück komponiert für 10 internationale Chöre – Ever Us. Dieses wird am 1. Mai 2020 in Berlin im Rahmen des Fests der Chorkulturen uraufgeführt. Erzählen Sie uns darüber.

"Der Rundfunkchor Berlin und INTERKULTUR haben neun Chöre aus Brasilien, dem Libanon, den Philippinen, Belgien, Weißrussland, Singapur, Schweden, den USA und Tasmanien eingeladen, um Beethovens 250. Geburtstag in der Berliner Philharmonie zu feiern. Sie haben bei mir ein 45-minütiges Stück in Auftrag gegeben, um all diese verschiedenen Chöre vorzustellen, die auch zusammen singen werden! Die Gastchöre werden auf Englisch singen, und der Rundfunkchor, als Gastgeber, wird die verschiedenen Chöre miteinander verbinden und das, was sie singen, unterstützen (auf Deutsch). Die Worte stammen vom großen Komponisten selbst und einigen seiner Lieblingsschriftsteller (u.a. Schiller, Goethe und Kant). Diese wurden von Jessica Duchen wunderschön zusammengestellt und "poetisiert" und decken vier Hauptaspekte von Beethovens Leben ab, die mit Jessicas eigener, bewegender "Ode an Beethoven" enden. Etwa 400 Interpreten nehmen daran teil – zu viele, um auf die Bühne der Philharmonie zu passen. Deshalb haben wir die Opernregisseurin Karen Gillingham mit einbezogen, die die logistischen Manöver überwachen und dabei auch einige schöne visuelle Effekte schaffen wird."

Sie komponieren viele Gesangsstücke und haben bereits zahlreiche Werke für Chöre veröffentlicht. Was begeistert Sie an der Chormusik?

"Als ich aufwuchs, habe ich in vielen fantastischen Schulchören gesungen – das erweckte in mir die Liebe zur Chormusik. Mein großer "Durchbruch" in meiner Karriere war die Westminster Mass im Jahr 1998, und dies scheint vor allem Aufträge für Chorwerke hervorgebracht zu haben. Ich liebe die intensive Emotionalität und Direktheit des Chorgesangs."

Neben dem Fest der Chorkulturen sind Sie noch bei einem weiteren Projekt in Deutschland involviert. Im November werden Sie Teil der internationalen Fachjury sein bei der ersten Deutschen Chormeisterschaft in Koblenz. Was möchten Sie den deutschen Sängerinnen und Sängern mit auf den Weg geben?

"Singt aus tiefstem Herzen!"

ROXANNA PANUFNIK (geb. 1968 ARAM, GRSM(hons), LRAM) studierte Komposition an der Royal Academy of Music und hat seither eine breite Palette von Werken – Oper, Ballett, Musiktheater, Chorwerke, Orchester- und Kammermusik sowie Musik für Film und Fernsehen – geschrieben, die weltweit aufgeführt werden. Sie hat eine große Liebe zu Musik aus den unterschiedlichsten Kulturen und Glaubensrichtungen, deren Einfluss sie in ihren Kompositionen großzügig einsetzt.  2018, im Jahr von Roxannas 50. Geburtstag, gab es einige spannende Aufträge und Uraufführungen für die BBC Last Night of the Proms und ein mitbeauftragtes Oratorium "Faithful Journey - a Mass for Poland" für das City of Birmingham Symphony Orchestra und das Nationale Radio-Sinfonieorchester Polens, mit dem Polen sein hundertjähriges Bestehen als unabhängiger Staat feierte. 2019 wurde ein neuer Auftrag für zwei Dirigenten und zwei Chöre erteilt, der von Marin Alsop und Valentina Peleggi mit dem Baltimore Symphony Orchestra uraufgeführt wurde. 2020 wird "Ever Us" für 10 Chöre und Sinfonieorchester im Auftrag des Rundfunkchors Berlin bei den Beethoven-Jubiläumsfeierlichkeiten 2020 uraufgeführt.

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