Stellenberg Girls' Choir in Halberstadt © INTERKULTUR

Benefizkonzert in Halberstadt

Stellenberg Girls Choir trifft den Rundfunk-Jugendchor Wernigerode

Johannes Brahms Int. Chorfestival & Wettbewerb

Was ist Musik? Ist das eine Abfolge von Tönen? In manchen Jahrhunderten war es normal, keinen Rhythmus niederzuschreiben und die Noten frei auszusingen. Oder ist der Rhythmus wichtiger? Man stelle sich ein Percussion-Stück vor, das die Leute sofort zum Tanzen bringen kann. Ist es die Kombination aus beiden? Oder ist es etwas komplett anderes? Ich denke, Musik ist das, was Leute als Musik empfinden. Jeder Kontinent, jede Kultur, sogar jeder Individuum hat seine eigene Musik.

Gestern Abend hatte ich das Privileg, am Benefizkonzert im Halberstädter Dom mit einem südafrikanischen und einem deutschen Chor mitzuwirken. Als der Stellenberg Girls‘ Choir (Republik Südafrika) auf die Bühne lief, konnte man viele überraschte und einige verblüffte Gesichter im Publikum beobachten. Die Mädchen in lockeren schwarzen Kleidern mit Gesichtsbemalung und Stäbchen im Haar zu sehen – eine Neuheit im alten Dom. Als allerdings der Chor zu singen begann, veränderte sich die Atmosphäre. Die unverwechselbaren afrikanischen Klänge hoben die Kirche an und trugen sie fort bis zur weit entfernten Spitze unseres Nachbarkontinents. Auf einmal erschien die Kombination aus Chor und Raum nicht mehr merkwürdig.

„Man sagt häufig, Mädchenchören fehlen die Männerstimmen. Bei Stellenberg ist das nicht der Fall. Sie haben die Stabilität, sie haben das Fundament und deswegen haben sie auch die Anbindung zum Boden, obwohl sie auch fliegen können“, legt Peter Habermann (internationaler Juror und Leiter des Rundfunkjugend-Chors) dar. Jenseits der Präsentation „ihrer eigenen“ Musik bewies der Chor seine Variabilität mit Stücken wie Ave Maria von Sergei Khvoschinsky. Und mit “Mongolian Horses“ von Se Enkhbayar ließ die Gruppe die Kirche und das Publikum bebend zurück.

Nach einem Orgel-Interlude von Claus Erhard Heinrich, dass etwas Entspannung brachte und allen etwas Zeit zum Durchatmen gab, lieferte der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode ein sehr kontrastreiches Programm ab, das von deutschen Volksliedern bis Josu Elberdin Badiolas zeitgenössischem „Cantate Domino“ reichte.

Besonders war bei diesem Konzert, dass jeder Sänger freiwillig dabei war. Für einen Schulchor ist das keineswegs normal, aber das vergangene Jahr war erfolgreich genug, dass viele Schüler der Teilnahme an Konzert und Proben zusagten. Da es nach Ende der Schulzeit stattfand, hatte das Projekt ebenfalls den Sonderstatus als das wirklich letzte mit den jüngsten Schulabgängern, die den Chor nun verlassen werden. Vielleicht kann man diesbezüglich auch nachvollziehen, dass, auch wenn man es ihnen nicht immer vom Gesicht ablesen kann, alle Sänger eine emotionale Verbindung zu dem Konzert insgesamt spürten. Manche Werke liefen sogar besser als je zuvor – ein gelungener Abschied für unsere Alumni, zu denen ich nun auch zähle.

Generell kann man wohl sagen, dass es für ein deutsches Ensemble immer schwer sein wird aufzutreten, nachdem die Ausdrucksstärke eines südafrikanischen den Raum erfüllt hat. Aber der komplette Stilunterschied zwischen den Chören hat es beiden ermöglicht, das Publikum zu faszinieren und nicht nur eine Atmosphäre, sondern eine Welt von Gefühlen in der Kathedrale zu erzeugen.

Was ist Musik? Die zwei Jugendchöre haben gezeigt, dass es unterschiedliche Antworten auf diese Frage gibt. Es kommt darauf an, wer man ist und wo man herkommt. Das macht Musik so besonders. Das macht sie so schwer. Das macht sie so spannend.

(Lucas Waclawczyk)

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