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Wie können wir zum Chorleben zurückkommen?

Fachdiskussion des World Choir Council im Rahmen der Regional Online Meetings

World Choir Council

Viel zu lange war es still. Die Corona-Pandemie hat die Chorwelt verstummen lassen. Chorproben konnten nur eingeschränkt stattfinden, Konzerte und Auftritte mussten abgesagt werden und die Sängerinnen und Sänger mussten auf ihre vertraute Gemeinschaft des Chores verzichten. Doch nun, nach Monaten der Einschränkungen, scheint die Überwindung der Krise in greifbare Nähe zu rücken.

Doch mit was für Nachwirkungen der Pandemie müssen Chorleiter*innen rechnen? Können wir in der Chorarbeit wieder dort anknüpfen wo wir vor einem Jahr aufhören mussten? Und wie können Chorleiter*innen ihre Sängerinnen und Sänger bei der Wiederaufnahme des Chorlebens unterstützen?

Die Mitglieder des World Choir Council – des höchsten internationalen Beratungsgremiums INTERKULTURs – haben sich im Rahmen der Regional Online Meetings vom 24. bis 26. März 2021 diesen Fragen gewidmet und mit Experten diskutiert.

Es muss wieder Vertrauen aufgebaut werden

Dr. Martin Sundqvist, Mikrobiologe, Wissenschaftler, Pädagoge und Chorsänger aus Schweden, gab als Gastredner einen Überblick über die medizinischen Aspekte und Zusammenhänge zwischen Chorgesang und der damit verbundenen Ansteckungsgefahr. Für die Rückkehr zu Chorproben sei es wichtig, vor allem zu Beginn ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Sänger*innen wohl und sicher fühlen.

Dies unterscheide sich natürlich von Land zu Land, je nachdem welche Vorgaben und Empfehlungen durch die Regierungen gegeben und wie hoch die Infektionszahlen sind. Das Voranschreiten der Impfungen weltweit werde die Rückkehr zum Chorleben in jedem Fall positiv unterstützen, aber auch die Abstandsregelungen und das Tragen von Masken könnten weiterhin Maßnahmen sein, die den Sänger*innen ein wesentliches Gefühl von Sicherheit vermitteln können – auch wenn sie die Chorarbeit klangtechnisch weiterhin einschränken. Für die Sängerinnen und Sänger ist es wichtig, nach der langen Zeit der Unsicherheit und des Verzichts, zunächst langsam wieder Vertrauen aufbauen zu können und mit einem guten Gefühl in die Gemeinschaft ihres Chores zurück zu finden.

In China funktioniert dies bereits wieder sehr gut. Dr. Tian Xiaobao, Chorleiter und World Choir Council Repräsentant aus China, gab als Sprecher der Region Asien, Pazifik und Mittlerer Osten einen Einblick zur aktuellen Lage der Chöre. In seiner Heimatstadt Wuhan konnte die Chorarbeit bereits vor einiger Zeit wieder aufgenommen werden und für den Sommer sind wieder die ersten Konzerte in Planung – ein Dankeschön an alle Helfer und Unterstützer in dieser Krise.

Eine proaktive Rückkehr zu den Chorproben

Im Regionalmeeting Nord-, Zentral- und Südamerika zeigte die Gastrednerin Rachael Finnerty, Psychotherapeutin und Musiktherapeutin aus Kanada, einen proaktiven Weg auf zurück in die Proberäume.

Die Chorleiter*innen könnten durch einen proaktiven Ansatz ihre Chormitglieder dabei unterstützen wieder positive Erfahrungen innerhalb der Chorwelt zu machen - speziell bei Proben und Auftritten. Sie müssten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und den Ängsten und Sorgen der Sängerinnen und Sänger offen, aufmerksam und mit Geduld begegnen. Hierbei sei vor allem Kreativität eine wichtige Hilfe für die Entwicklung von Resilienz und die Bewältigung von Ängsten. So könnte man als Chor zum Beispiel gemeinsam einen neuen Song schreiben bzw. umschreiben, das passende Repertoire kann helfen Gefühle auszudrücken und zu stärken oder aber Atemübungen zur Entspannung in Gemeinschaft.

Myguel Santos E Castro, Chorleiter und World Choir Council Repräsentant aus Portugal, äußerte sich hierzu passend: "Wir als Chorleiter sind für die mentale, stimmliche und psychologische Gesundheit unserer Mitglieder verantwortlich. Wenn Menschen singen, fühlen sie sich besser. Und wir können zur Verbesserung ihres Lebens beitragen."

Wissenschaftliche Studie zu den psychologischen Auswirkungen der Pandemie

Als Gastredner des Regionalmeetings Afrika/Europa gaben Prof. Alessandro Antonietti und Prof.ssa Angelica Moè, Psychologieprofessoren aus Mailand und Padua in Italien, einen Überblick über die psychologischen Aspekte der Pandemiezeit in der Chorwelt.

Es sei wichtig, dass die Sorgen, Ängste und Risiken nicht überwiegen, sondern Optimismus, Hoffnung und Perspektiven vermittelt werden – diese Motivation zu vermitteln ist eine zentrale Aufgabe der Chorleiter*innen. Natürlich hat jeder Mensch seinen eigenen Rhythmus und Tempo, aber es sollte vorwärts gehen in Richtung einer realistischen, aber motivierenden Perspektive. Hierbei können mentale Einschränkungen überwunden werden durch Erweiterung des eigenen Denkens und Handelns.

Prof. Antonietto und Prof.ssa Moè haben hierzu auf Anregung von INTERKULTUR eine offene Studie initiiert, die sich den psychologischen Auswirkungen der Pandemie auf die Chorwelt widmet und an der Sie bald teilnehmen können. Es gehe darum zu verstehen, was die Sängerinnen und Sänger sowie die Chorleiter*innen denken und fühlen und Wege aufzuzeigen, wie die Chorwelt sich gegenseitig unterstützen kann bei der Überwindung dieser Krise und der Rückkehr in die Proberäume.

Die Ergebnisse dieser internationalen Studie werden Ende Mai erwartet und sowohl auf INTERKULTUR Newsroom als auch in der kommenden Ausgabe des COUNCIL TALK magazine präsentiert.

Die nächsten Regional Online Meetings des World Choir Council sind geplant für Ende Juli 2021.

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