"Southern Spirit Singers" choir performing on stage of the European Choir Games 2019 © Studi43

Der Weg zurück auf die Bühne

Im Dialog mit Dr. Achim Tieftrunk und Tristan Meister

Deutsche Chormeisterschaft

Im Gespräch mit Dr. Achim Tieftrunk, Vorstandsvorsitzender der Singschule Koblenz, sowie Tristan Meister, Dirigent und Chorleiter, geht es um die Perspektiven der Chorszene und die Frage wie die Chorgemeinschaft gestärkt und motiviert werden kann.

Verwaiste Probenräume, leere Bühnen, stille Konzertsäle – das war das Bild der letzten Monate in der deutschen (und auch internationalen) Chorszene. Die Einschränkungen und Sicherheitsbestimmungen der Corona-Pandemie haben insbesondere die Laien- und Amateurchöre hart getroffen. Sängerinnen und Sänger mussten nun bereits seit über einem Jahr auf ihren Probenalltag, Auftritte und vor allem ihre Gemeinschaft verzichten.

Viele Chorleiter:innen stehen in diesem Zusammenhang vor der Problematik die Chorgemeinschaft ohne ein echtes Zusammensein zusammenzuhalten und zu motivieren. Wie kann dies gelingen? Was brauchen Chöre – die Sänger:innen aber auch Chorleiter:innen – um wieder mit einem guten Gefühl zurück in die Proberäumen kehren zu können? Wie wird sich das Chorleben in den kommenden Monaten entwickeln, wo langsam ein Ende der Krise in greifbare Nähe rückt? Diese und weitere Fragen standen im Gespräch mit Dr. Achim Tieftrunk, Vorstandsvorsitzender der Singschule Koblenz, sowie Tristan Meister, Dirigent und Chorleiter, im Mittelpunkt.

Herausforderungen und Chancen für die Chorszene

Der aktuelle Alltag der meisten Chöre ist seit mittlerweile über einem Jahr geprägt durch Abstandsregelungen, technische Hürden und die Versuche die Chorarbeit primär online fortzusetzen. „Als ‚Proben mit dem Chor‘ kann man das nicht bezeichnen, denn die Kinder und Jugendlichen hören ja nur eine Stimme, die sie dann alleine begleiten“, sagt Dr. Achim Tieftrunk zum wöchentlichen Probenbetrieb über Zoom in der Singschule Koblenz. Auch Tristan Meister stimmt dem zu: „Es gibt derzeit keinen Probenalltag.“

Beide sind sich einig, dass die schwerste Herausforderung der aktuellen Krise der Verlust der Gemeinschaft ist. Es fehlen die gelegentlichen Treffen und Zusammenkünfte am Rande der Proben und die „Chorgemeinschaft“ sowie die Lust am gemeinsamen Singen sind schwierig aufrecht zu halten.

Die Chancen dieser schweren Zeit ergeben sich vor allem für die einzelnen Sänger:innen. Neben intensiverer Einzelstimmbildung und einem besseren Gefühl für den Umgang mit der eigenen Stimme, wurde auch die Eigenverantwortung der Chormitglieder gefördert und häusliche Vorbereitung sowie Beschäftigung mit der Literatur haben einen höheren Stellenwert bekommen.

Motivation für Sängerinnen und Sänger

Doch die Mitglieder sehnen sich nach „Proben und Singen in der Gemeinschaft“, so Tieftrunk. Auch wenn es in absehbarer Zeit nicht werden wird „wie vorher“, „nach einem Jahr Zoom-Proben ist jede Präsenzprobe, egal ob 2m oder 8m Abstand, ein Segen“, ergänzt Meister.

Entscheidend für die Präsenzproben sind das nötige Vertrauen der Chormitglieder und passende Sicherheitskonzepte. Neben umfassenden Hygienemaßnahmen und regelmäßigen Tests umfasst dies vor allem auch große Räumlichkeiten, in denen der nötige Abstand eingehalten werden kann. Hier sieht Meister Politik und Chorverbände in der Pflicht die Chorleiter:innen zu unterstützen.

Und auch die Chorleiter:innen haben großen Einfluss auf die Motivation der einzelnen Mitglieder. Wichtig hierbei sei es Zuversicht und Optimismus zu vermitteln. Der Chor brauche Perspektiven und konkrete Ziele. „Deswegen sind so Events, wie die Deutsche Chormeisterschaft mit dem Konzept der offenen Bühne eine ganz tolle Möglichkeit den Chor zu motivieren nach so einer langen Durststrecke trotz Hygieneauflagen weiterzuarbeiten. Einfach ein konkretes Ziel zu haben“, erklärt Meister.

Perspektiven für Chöre

Sowohl Meister als auch Tieftrunk planen erste Konzerte zum Herbst beziehungsweise zur Adventszeit. Wobei vor allem die Quintessenz der Chorarbeit im Vordergrund stehen wird. „Chorveranstaltungen haben das Ziel, viele Menschen zusammenzubringen: Chöre und Menschen, die ihnen mit Begeisterung zuhören,“ so Tieftrunk.

Und hierfür sollten Chorleiter:innen planen, Ziele setzen und ihren Chören Perspektiven geben. Meister unterstreicht die Wichtigkeit hierbei noch einmal: „Natürlich tut es uns allen weh geplante Dinge wieder absagen zu müssen, aber ehrlich gesagt ist es doch besser ich habe monatelang auf dieses Ziel hingearbeitet und bin musikalisch gewachsen, als zu sagen, das wird sowieso nichts, wir lassen es sein.“ Eine optimistische Grundeinstellung sei wichtig und entscheidend.

„Kümmern Sie sich um Ihre Chöre und halten Sie den Kontakt zu Ihren Sängerinnen und Sängern – auch wenn man sich vielleicht nur trifft, um miteinander zu reden statt zu singen. Der soziale Kontakt untereinander ist vielleicht genauso wichtig wie das gemeinsame Proben und Singen,“ rät Tieftrunk zum Abschluss des Gesprächs.

Festzuhalten bleibt: Auch wenn wir nicht zeitnah zur Normalität zurückkehren können, gibt es Perspektiven für die Chorszene, kleinere und größere, Bühnen, die auf Euch warten und dies sollte genutzt werden. Zuversicht ist ansteckend und kann die Gemeinschaft Ihres Chores beflügeln – nutzt dies!

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