Gregory Simms vertritt sein Land und dessen Chormusik
Das Mitglied des World Choir Council aus Jamaica, Gregory Simms, ist Direktor des Jugendchores Jamaica Youth Chorale und als Musikexperte bei der jamaikanischen Kommission für Kulturentwicklung tätig
„Mein kleines Land Jamaica ist auf der ganzen Welt für seine wunderschönen weißen Sandstrände, mitreißende Reggaemusik und Topathleten berühmt. Wir sind außerdem bekannt für unsere würzige Küche wie etwa Jerk Chicken und das ganzjährige, wunderbar warme tropische Wetter. Wir haben außerdem vielleicht einen Ruf als extrovertierte und kreative Menschen, die auf vielfältige Art und Weise die Welt beeinflusst haben. Viele von Ihnen, die dies lesen, kennen vielleicht Bob Marley, Usain Bolt, Naomi Campbell, Sir Williard White, Grace Jones, Marcus Garvey, Claude McKay oder andere wichtige jamaikanische Persönlichkeiten, die Sie eventuell auf Ihrem Lebensweg getroffen haben. Ja, wir sind alle sehr wichtig – und sei es nur in unseren eigenen Gedanken. Wir sind stolze und außergewöhnliche Menschen und sehr patriotisch eingestellt.
Meine Insel ist eine Nation voller Mischungen. Sie ist, wie es ein Gelehrter einst formulierte, der Ort, wo Europa und Afrika auf amerikanisch-indianischem Boden aufeinander treffen. Wir sind ein Schmelztiegel vieler Menschen und Nationen und unsere Musik und Kulturspiegeln dies wider. Die ganze Welt kann ein Stück von sich selbst in Jamaika wiederfinden.
Es wird gerade Winter auf Jamaika. Kalte Winde kommen über die blauen Berge herein und fegen über den Landstrich Cockpit Country und unsere Christsterne haben weiße, rosa oder rote Blüten bekommen, die wie Zuckerrohr im Wind tanzen. Es hat außerdem geregnet. Ich bete, dass dies nicht zu lange anhält. Dessen ungeachtet präsentieren Chöre im ganzen Land Weihnachtskonzerte und Kantaten ausländischer und lokaler Komponisten wie Dr. Olive Lewin, Dr. Noel Dexter und Dr. Andrew Marshall. Diese drei Komponisten repräsentieren den Geist der jamaikanischen Chormusik, die in den 60er Jahren, als das Land seine Unabhängigkeit erhielt, einen signifikanten Aufschwung erfuhr.
Neue patriotische jamaikanische Musik wurde geschrieben, darunter unsere eigene Nationalhymne - Jamaica, Land, das wir lieben. Jamaikanische Komponisten begannen, hervorstechende Kontrapunkte, Synkopen und interessante Melodiestrukturen in europäische oder koloniale Musikstile einfließen zu lassen. Als wir damit begannen, unsere Identität zu formen, wurde unsere Musik nicht nur in Form und Struktur experimenteller und typisch jamaikanisch, sondern auch in der Art und Weise, wie sie dargeboten wurde. Die Musik für die breite Zuhörerschaft mischte sich mit der Musik der Oberschicht und der kolonialen Musik. Jetzt existieren jamaikanische Chorhymnen, Psalmen und Hymnen, die im jamaikanischen Dialekt gesungen werden und im Mentostil geschrieben wurden – eine sehr rhythmische Musikform, die in der Zeit der Sklaverei auf der Insel ihren Ursprung hat. Es gibt Chorwerke mit dominanten Nyahbinghi Trommelrhythmen, die den Rastafari repräsentieren - eine jamaikanische Religion, deren Anhänger einst verfolgt wurden, die sich aber heutzutage zu einem globalen Phänomen entwickelt hat. Es gibt ebenfalls Chorwerke, die weitere traditionelle Arten von Volksliedern widerspiegeln, wie etwa Kumina, Pocomania, Ringspiele, Dinki-Mini und viele andere. Es gibt weitere zeitgenössische Werke, die Reggae, Ska und Tanzmusik für Chöre singbar machen. Mein Land explodierte in einen Wirbel aus kreativem Ideenreichtum und Ausdrucksformen, die in einer eigenen Geschichte und Erzählung wurzeln, die noch nicht beendet ist.
Tatsache ist, dass es Jamaikaner ebenso wie viele von Euch auf der ganzen Welt lieben, bei jedweder Aktivität zu singen und zu tanzen. Wir singen, um das Leben und den Tod zu feiern; wir singen, während wir arbeiten und Gott loben. Und mit unserer Unabhängigkeit kam unsere eigene jamaikanische Renaissance, die Chorwerke wachsen ließ, die all diese Momente einfangen.
Meine Faszination in Bezug auf jamaikanische Chormusik hat ihren Ursprung in dieser Zeit nach der Unabhängigkeit, als Komponisten merklich mutig und jamaikanisch in ihren Werken wurden. In dieser Periode entwickelte sich beispielsweise das jamaikanische Spiritual. Dessen ungeachtet war die jamaikanische Chormusik jahrhundertelang lebendig. Jamaikanische Komponisten wie Samuel Felsted produzierten das wahrscheinlich erste Oratorium in diesem Teil der Welt im Jahre 1775. Dieses Werk trägt den Namen Jonah. Es gibt außerdem Aufzeichnungen von einer erloschenen jamaikanischen Chorvereinigung, die in das späte 19. Jahrhundert zurückreichen. Dies ist etwas, an dessen Widerbelebung ich arbeite.
Während ich hier sitze, mit dem Stift in der einen und dem Kaffee in der anderen Hand, und über die Lichter von Kingston blicke, fühle ich mich darin bestärkt, noch mehr von meinem Land mit Ihnen zu teilen, aber dies würde natürlich mehr Zeit verlangen, als ich im Moment habe. Es gibt so viel Arbeit hier, die getan werden muss. Wir verfügen über so viel Musik, die der Veröffentlichung bedarf und zahlreiche andere Festivals, Webseiten und Veranstaltungen, die wir umsetzen müssen, um die jamaikanische Chormusik mit der Welt zu teilen.
Eines Tages werden wir es bewerkstelligen und ich freue mich darauf, diese Reise mit Ihnen allen zu teilen.“
INTERKULTUR Newsletter
Festivals, Chorwettbewerbe, Mitsingprojekte: Besondere Veranstaltungshinweise und Auftrittsmöglichkeiten bekommen Sie im kostenlosen INTERKULTUR-Newsletter.